Vorsorge, damit weniger Nachsorge gebraucht wird: Zahlen zur Jugendhilfe in SÜW legen nahe, dass Präventionsansatz greift


In Kinder- und Jugendhilfe sei noch nie so viel los gewesen wie aktuell – viele Herausforderungen seien gleichzeitig zu bewältigen, hielt der Referent zunächst fest. Er verwies auf das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, das Kita-Gesetz und das Ganztagsförderungsgesetz, die laufende Vormundschaftsrechtsreform und mehr. „All das muss derzeit auf der kommunalen Ebene gestaltet und umgesetzt werden.“ Auch die Folgen der Pandemie und der Migrationsbewegungen beschäftigten die Kinder- und Jugendhilfe weiterhin, dazu komme der Fachkräftemangel, der in den nächsten Jahrzehnten wohl zur größten Herausforderung der Branche werde. „Ein Mehr an Veränderungen trifft auf Knappheit an Ressourcen“, konstatierte Heinz Müller. Mittlerweile sei es vielerorts tägliche Arbeit in den Jugendämtern, Einrichtungen der Jugendhilfe abzutelefonieren, um freie Plätze für Kinder zu finden. Wenn das nicht gelinge, müssten immer mehr Jugendämter in Deutschland gelegentlich Kinder übers Wochenende in Hotels unterbringen. So etwas sei früher außergewöhnlich gewesen und werde wegen des Mangels an Fachkräften üblicher. 

Situation im Kreis SÜW

Die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis SÜW entspreche der bundesweiten: Deutlich mehr Menschen versterben als geboren werden. Die Bevölkerung wachse allerdings weiter, ausschließlich aufgrund der Anzahl von zugewanderten Menschen. Die Anzahl der unter Dreijährigen beispielsweise sei im Landkreis SÜW zwischen 2011 und 2022 um fast 22 Prozent gestiegen. 

Kinderarmutsquote bei acht Prozent  

Der Prozentsatz von Kindern im Sozialgeldbezug könnte als Maßstab für Armut herangezogen werden, informierte Müller. Im Kreis SÜW habe das durchschnittlich 84,3 Kinder unter 15 Jahren pro 1000 junge Menschen in der Altersgruppe im Jahr 2022 betroffen. Die Kinderarmutsquote betrage folglich etwa acht Prozent, womit die Südliche Weinstraße etwas über den Durchschnitt der rheinland-pfälzischen Landkreise liege. Diese Quote sei ein „harter Indikator für Bedarf an Jugendhilfeleistungen“: 

Wenn die Kinderarmutsquote in SÜW um ein Prozent wachsen würde, dann stiegen die Kosten für Jugendhilfeleistungen wahrscheinlich um 0,8 Millionen Euro im Jahr.  „Wenn wir frühzeitig Familien in prekären Lebenslagen unterstützen, verhindern wir diese Zusammenhänge. Es zeigt sich, dass man sozialräumlich handeln, Familien in schwierigen Lagen früh zur Seite stehen muss“, fasste der Geschäftsführer zusammen. 

Kosten unter dem Durchschnitt

Die Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung in SÜW liege trotz der etwas überdurchschnittlichen Kinderarmutsquote unter dem Landesdurchschnitt. „Das ist deswegen positiv zu bewerten, weil sie im Landkreis Südliche Weinstraße viel Präventionsarbeit leisten“, so Heinz. Weiter erfuhr der Jugendhilfeausschuss: Die Bruttoauszahlungen für Hilfen zur Erziehung pro jungem Mensch unter 21 Jahren lagen im Landkreis Südliche Weinstraße im Jahr 2022 bei 538,30 Euro. Der Durchschnitt der Landkreise liegt bei 608,90 Euro, der der kreisfreien Städte bei 851,20 Euro. 

Hannelore Schlageter, Leiterin des Jugendamts, ergänzte nach dem Vortrag aus interner Perspektive des Jugendamts: „Ja, wir haben uns in den vergangenen Jahren bewusst sozialräumlich weiterentwickelt, beginnend 2018 mit der ersten Familienberatungsstelle in Bad Bergzabern, dann mit dem Sozialraumbudget.“ Mittlerweile gebe es fünf Jugend- und Familienberatungsstellen im Landkreis, für deren Errichtung sich Landrat Dietmar Seefeldt besonders eingesetzt hat. Diese unterstützen die jungen Menschen und Familien niederschwellig, seit 2021 durch Mittel des Sozialraumbudgets ergänzt um Kita-Sozialarbeit und Kita-KistE. „Wir sind überzeugt, dass das der richtige Weg ist. Außerdem tragen Steuerung und personelle Stabilität zur guten Situation in unserem Jugendamt bei.“ Das Prinzip der Steuerung meint, dass das Jugendamt Südliche Weinstraße Bedarfe im Rahmen einer sozialpädagogischen Diagnose erhebt und die Maßnahmen der Hilfen zur Erziehung eng begleitet, also alle Gelder für Familienhilfen, stationäre Unterbringung, Eingliederungshilfe und mehr regelmäßig auch auf Wirksamkeit prüft. Schlageter lobte auch die Träger vor Ort, mit denen das Jugendamt kooperiere, sowie die enge und gute Zusammenarbeit von Amts- und Referatsleitungen, Jugendamtsmitarbeitenden und dem zuständigen Dezernenten Georg Kern.

Auf dem richtigen Weg.